Heute bringt der stern das "Märchenbuch für Alle" auf den deutschen Markt. Das Buch soll Minderheiten sichtbarer machen, ein Hauptanliegen des sogenanntenQueerfeminismus.Was hinter dem Begriff steckt und warum es auch Debatten um ihn gibt.
Es gibt viele Strömungen des Feminismus. Liberaler Feminismus. Konservativer und sozialistischer Feminismus. Öko-Feminismus. Um nur einige zu nennen. Eine der jüngeren Strömungen ist der sogenannte Queerfeminismus. Es ist eine Strömung, die aktivistisch, aber auch akademisch ist. Aber was kann man sich darunter vorstellen? Wofür steht Queerfeminismus?
"Queer" kommt aus dem Englischen und bedeutet so viel wie "seltsam" oder "eigenartig". Lange Zeit war es ein abwertender Begriff für Menschen, die von der traditionellen Vorstellung von Geschlecht und Sexualität abwichen. In den 1980er-Jahren eigneten sich in den USA eben diejenigen, die mit diesem Begriff diskriminiert wurden, das Wort "queer" an. Heute ist "queer" Selbstbezeichnung von Homo-, Bi- und Asexuellen, aber auch von nicht binären Menschen, Trans-Menschen, intergeschlechtlichen Menschen und Menschen, die weitere Identitäten und Geschlechter haben. Queere Menschen sind also Menschen, die ihre Identität oftmals als außerhalb der gesellschaftlichen Norm sehen.
Geschlecht, Körper und Sexualität haben wandelbare Bedeutungen
Seit den 1990er-Jahren gewinnt die Strömung des Queerfeminismus auch in Deutschland zunehmend an Bedeutung. Auch in den USA und dem Vereinigten Königreich wurde diese Strömung größer, man sprach auch von einer "dritten Welle" des Feminismus.
"Queerfeminismus geht davon aus, dass Geschlecht nicht biologisch oder psychologisch vorherbestimmt ist, sondern den Menschen ein soziales und körperliches Geschlecht sowie daran gebundene Geschlechterrollen gesellschaftlich zugeschrieben werden", heißt es auf der Seite des Gleichstellungsbüros der Technischen Universität Dortmund.
Geschlecht, Körper und Sexualität hätten wandelbare Bedeutungen, die historisch und kulturell gewachsen sind. Heterosexualität und die vermeintlich natürliche Zweigeschlechtlichkeit (männlich und weiblich) werden als gesellschaftliche Normen kritisiert. Im Queerfeminismus geht man also nicht davon aus, dass es nur Mann und Frau, sondern eine breite Palette an Geschlechtern und Sexualitäten gibt.
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Queerfeminismus:Freiheit aller Geschlechter und Identitäten
Im Queerfeminismus von Bedeutung ist das solidarische Handeln und das Mitdenken von Unterschieden, so die TU Dortmund. "Mehrfachdiskriminierung" spiele eine große Rolle. "Im Queerfeminismus gibt es nicht die Frau mit einer allgemeingültigen Perspektive, da Menschen, denen das weibliche Geschlecht zugeschrieben wird, keine einheitlichen Erfahrungen machen. Heterosexuelle, weiße, lesbische, schwarze, transgeschlechtliche, arme Frauen – sie alle werden auf gewisse Weise ähnlich, auf gewisse Weise unterschiedlich diskriminiert."
Unter Queerfeminismus versteht man also auch den Kampf für Gleichheit, Gerechtigkeit, Selbstbestimmung und Freiheit aller Geschlechter und Identitäten. Es geht aber auch um die Repräsentation, etwa in Fernsehen, Film und Büchern. Zum Beispiel einen Transmenschen als Hauptfigur in einem Buch oder einen nicht-binären Menschen in einer Fernsehserie. Queerfeminist:innen sehen in ihrer Strömung, ihrer Politik also mehr eine übergreifende Repräsentationspolitik.
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Debatten um Queerfeminismus
Kritiker:innen sehen im Queerfeminismus allerdings eine Minderheitspolitik bzw. eine Art "Minderheitenaktivismus", der ihnen die Akzeptanz und das Mitdenken von anderen Identitäten und Geschlechtern angeblich aufzwinge.
Von "autoritärer Blockwartmentalität" ist in dem Buch "Beißreflexe: Kritik an queerem Aktivismus, autoritären Sehnsüchten, Sprechverboten", herausgegeben von Patsy l’Amour laLovedie Rede. Das Buch galt als ein Angriff auf die Denk-, Sprech- und Erkenntnisverbote in der queeren Szene. Darin heißt es, es gehe nicht mehr um das Unanständige von queer im Sinne von schräg. Queer werde inzwischen als absolute alternative Anständigkeit eingefordert.
"Queer hat in den vergangenen Jahren eine bedeutsame Veränderung erfahren. Queerer Aktivismus operiert häufig mit Konzepten wie 'Critical Whiteness', 'Homonormativität' und 'kulturelle Aneignung'. Ein Kampfbegriff lautet 'Privilegien' und wittert hinter jedem gesellschaftlichen Fortschritt den Verrat emanzipatorischer Ideale. Oft erweckt dieser Aktivismus den Anschein einer dogmatischen Polit-Sekte. Das Ziel ist nicht selten die Zerstörung des sozialen Lebens der Angegriffenen", steht in der Buchbeschreibung.
von Rune Weichert
"Selbstverachtung queerfeministischer Aktivistinnen, die alle Marginalisierten bemuttern"
Die Feministin und Autorin Koschka Linkerhand ist Herausgeberin des Buches "Feministisch Streiten". Frauen seien in den letzten drei Jahrzehnten unter die queerfeministischen Räder geraten, so Linkerhand. Der Queerfeminismus habe "die Präsenz und den Kampfeswillen des politischen Subjekts Frau kassiert, das die Zweite Frauenbewegung in den Jahrzehnten zuvor in Stellung gebracht hatte. Gerade die Identitäten Frau und Lesbe werden häufig als kränkende Zuschreibungen zurückgewiesen und durch genderfluid oder non-binary bzw. queer ersetzt".
Linkerhand spricht von einer westlichen "Selbstverachtung queerfeministischer Aktivistinnen, die alle Marginalisierten bemuttern (ob die es nun wollen oder nicht), mit dem Ziel, damit die Schuld ihrer gesellschaftlichen Privilegien abzuarbeiten, die sich in heller Haut, deutschem Pass, Hochschulabschluss und der Nichtbetroffenheit von Behinderung und Transgeschlechtlichkeit äußern."
J.K. Rowling und "Terfs"
Eine prominente Frau, die in diesem Diskurs polarisiert, ist die "Harry Potter"-Autorin J.K. Rowling. Rowling gehört zu einer älteren Generation von Feminist:innen. Wegen angeblichtransfeindlicher Aussagen wurde die Schriftstellerin attackiert. In einem Tweet kritisierte sie etwa die Formulierung "Menschen, die menstruieren".
Rowling wird deshalb von manchen als "Terf" bezeichnet, was für "Trans-Exclusionary Radical Feminists" (Trans ausschließende radikale Feminist:innen) steht. Diese ältere Generation der Aktivist:innen stehe für irrationale Ängste, dass "jede Toilette voll von Männern sei, die sich ganz frivol einfach abends entscheiden würden, Transen zu werden", um dann in Frauenräume einzudringen, so die Philosophin Catherine Newmark. In diesem älteren Feminismus werde die Frau als Subjekt ins Zentrum gestellt unter dem Motto: "Als Frauen sind wir diskriminiert, als Frauen müssen wir uns wehren."
Heutzutage werde der Diskurs in den sozialen Medien sehr heftig und emotional ausgetragen, so Newmark weiter. Häufig gehe es darum, auf der richtigen Seite und der richtigen Meinung zu sein. Dabei gehe es doch allen um eines: "eine freiere und inklusivere Welt."
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Quellen:www.feministisch-veraendern.de, BUND Jugend, TU Dortmund, Gunda Werner Institut der Heinrich Böll Stiftung, "Zeit", "Emma", Deutschlandfunk Kultur, "Tagesspiegel", Querverlag
rw
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